Hildegard von Bingen

Leben und Wirken in Kurzform

 

Mensch, Umwelt, Leib und Seele, alles steht laut Hildegard in stetigem Austausch, stetiger Verbindung. Ihre Schriften stellen in allen Zeiten einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Lebens, der Natur, der Umwelt und der Verbindung dieser Bereiche zum Seelenheil dar. Ihr - wie sie selbst sagt - von Gott gegebenes visionäres Wissen lässt sie als Ausnahme-Theologin, Universalgelehrte und als mutige und weise Frau erscheinen.

Die Gründerin und Leiterin eines Frauenklosters, die auch vor Papst und Kaiser kein Blatt vor den Mund nahm und Missstände direkt ansprach, wurde schon in Ihrer Zeit als Botschafterin Gottes wahrgenommen. Sie bezeichnete sich selbst als `Posaune Gottes`. Ihre Bücher und Schriften spannen einen weiten Bogen von der Auslegung der Heiligen Schriften über Lieder und Gedichte bis zu den medizinisch-naturkundlichen Büchern.

Auch die Biographien über Heilige, ihre Autobiographie sowie ihre Briefe zeigen, welch großes Anliegen ihr das Wohl der Menschen, ihr bewusstes Tun und Denken, und auch die Gesundheit unserer Natur und Umwelt war.

Im Jahr 1098 wurde Hildegard von Bingen als zehntes Kind des Edelfreien Hildebert von Bermersheim und seiner Frau Mechthild in Bermersheim bei Alzey geboren. Im Alter von acht Jahren gaben ihre Eltern das Mädchen Hildegard in die Obhut der Klausnerin Jutta von Sponheim auf dem Disibodenberg zur geistlichen Erziehung. Die Klause war am dort beheimateten Mönchskloster angebaut. Im Kloster wurde Hildegard im Singen der Psalmen und den Gesängen Davids unterwiesen. Auch erhielt sie Unterricht in der „Regula Benedicti“, in der Liturgie und in Teilen der „Artes Liberales“ (Rhetorik, Dialektik, Grammatik sowie Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik). Die junge Hildegard kam in den Genuss dieser umfassenden Bildung und Ausbildung, da die Klöster der Benediktiner zu dieser Zeit Hochburgen der Wissenschaften und Zentren der Künste und umfassender Bildung waren.
Mit ungefähr 15 Jahren legte Hildegard die heiligen Gelübde ab. Nach dem Tod ihrer Lehrerin Jutta von Sponheim wird Hildegard im Alter von 38 Jahren einstimmig zur geistlichen Mutter des sich in der Entwicklung befindenden Frauenklosters gewählt.
Vier Jahre später erhält Hildegard die Eingebung, alles zu dokumentieren und zu verkünden, was ihr in dieser ersten und allen weiteren Visionen offenbart wird.

Ihr erstes Werk entsteht: „SCIVIAS“ („Wisse die Wege“). Diese Schau von der Schöpfung und der Erlösung der Welt schreibt Hildegard mit der Unterstützung des Mönches Volmar und der Nonne Richardis von Stade.
Ihre intuitive Begabung zur Vision erklärt die Benediktinerin Hildegard als ein plötzlich über sie kommendes Wissen über den Sinn der Heiligen Schriften. Im Zustand der Vision erschließen sich ihr die tieferen Geheimnisse der göttlichen Schriften. Sie legte auch immer großen Wert auf die Feststellung, dass sie ihre Visionen nicht in einer Ekstase oder anders gearteten Entrückung erhielte, sondern sich dabei immer im klaren Wachzustand befinde.

Im Vorfeld der päpstlichen Synode von Trier in den Jahren 1147/1148 hatte eine vom Papst eingesetzte Kommission die Sehergabe von Hildegard von Bingen geprüft und bestätigt. Als Konsequenz erkennt Papst Eugen der Dritte offiziell die Sehergabe an, indem er aus ihrem Werk SCIVIA vorträgt und sie zur Weiterführung ihres Schaffens ermutigt. Mit dieser Bestätigung von der höchsten kirchlichen Seite wird die Magistra Hildegard aus der Abgeschiedenheit der Klosterzelle mitten auf die Bühne der Welt gestellt.

Im Jahr 1150 gründet Hildegard das Kloster Rupertsberg bei Bingen. Die Gemeinschaft im Kloster wächst kontinuierlich an.

Sie unterhielt einen umfangreichen Briefwechsel mit bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik und Kirche, darunter die Päpste Eugen III., Anastasius IV., Hadrian IV., und Alexander III., die Erzbischöfe von Köln, Salzburg, Trier und Mainz, Kaiser Friedrich Barbarossa, König Heinrich II. von England, König Konrad III., die Gräfin von Sulzbach und Kaiserin von Byzanz, sowie zahlreiche andere Herzöge, Äbte und Priester.
Doch auch einfache Menschen wandten sich schriftlich an sie, um ihren Rat zu erbitten.

Das Welt- und Menschenbild der Seherin Hildegard ist bis in alle konkreten Details bestimmt von den Naturkräften des Kosmos.

In den Jahren 1151 bis 1158 arbeitet Hildegard an ihren Werken PHYSICA (Heilkraft der Natur) und CAUSAE ET CURAE (Ursachen und Behandlungen der Krankheiten – Heilwissen).

Von 1158 bis 1163 verfasst sie ihr Werk LIBER VITAE MERITORUM (Buch der Lebensverdienste)

In diesen Jahren unternimmt sie drei Missions- und Predigtreisen nach Franken, Lothringen und ins Rheinland.
Im Jahr 1163 beginnt Hildegard mit der Niederschrift ihres letzten großen Werkes über ihre Visionen. Sie gibt dem Buch den Titel LIBER DIVINORUM OPERUM (Das Buch der göttlichen Werke)
Ungefähr 1165 übernimmt sie das Kloster Eibingen bei Rüdesheim.
Im Jahr 1170 führt sie eine vierte Missions- und Predigtreise nach Schwaben. Sie steht mit ihrem Rat den Äbten von Maulbronn, Hirsau und Zwiefalten zur Seite.

 

Hildegard stirbt am 17. September 1179 im Alter von 81 Jahren auf dem Rupertsberg bei Bingen. In der „Vita“ der Hildegard von Bingen ist zu lesen, dass ihr Gott ihren Tod in einer Vision mitgeteilt hatte. Sie kündigte daraufhin das Ende ihres irdischen Lebens auch ihren Schwestern im Kloster an. Die Prophetin, die ja bereits seit ihrer Kindheit durch diverse Krankheiten geschwächt war, ging also wohl vorbereitet auf ihre letzte Reise.